>> Mensch, du bist doch auch Jäger, dann musst du doch einen Hund haben! << Dieser Ansicht war aus waidmännischer Sicht nicht viel entgegenzusetzen, und die anfangs noch recht unerschütterlich und entschieden klingende Ablehnung verlor im Laufe des Nachmittags immer mehr an Glaubwürdigkeit. Besonders ein kleiner Rüde aus dem Stamme der Münsterländer wich nicht mehr von unserer Seite und schleppte, sprich: apportierte, alle seine persönlichen Habseligkeiten wie Kaninchenpfote und alte Socken zu uns. Auch meine Frau war dem kleinen Burschen immer verliebtere Blicke zu, und dieser ließ sich von ihr nach Herzenslust abschmusen und verwöhnen. Ein kurzer, aber intensiver Blickkontakt, ein beiderseitiges zustimmendes Nicken, und die Entscheidung war gefallen. Den nehmen wir!
Der Keiler pflügte indessen den Waldboden mit einer Leidenschaft um, die alle seine Sinne gefangen nahm. Sein Pürzel sauste wie der Rotor eines Hubschraubers hektisch in alle Himmelsrichtungen und klatschte dabei ab und zu auf das feiste Hinterteil. Immer weiter zögerte ich den Moment der Schussabgabe heraus, denn ich brachte es einfach nicht übers Herz, diesen idyllischen, friedlichen Moment durch eine Kugel jäh zu zerstören. Doch urplötzlich warf warf der Keiler auf, begann kurz, aber heftig zu blasen und trat unruhig hin und her. Damit verflog ebenso schlagartig der Zauber des Augenblicks, und der Zeigefinger der rechten Hand verstärkte den Druck auf den Abzug.
Leicht hätte ich diese kleine Wutz strecken können, doch heute Abend wollte ich mehr, und es kam. Denn plötzlich wimmelte der ganze Bestand von Sauen aller Größen- und Altersklassen. Längst hielt ich den Repetierer schussbereit in den Händen, doch bei all dem Gewusel ließ sich ein Schuss guten Gewissens nicht anbringen. Die Rotte wechselte Höhe der Flaschenkanzel über den Weg, wobei eine große Bache genau vor dieser verhielt und kurz nach oben windete. Ob dies nun Zufall war oder diese erfahrene Bache wusste, dass sich auf diesen merkwürdigen Holzgestellen ab und zu Gefahr bringende Menschen mit Schießstöcken befinden, überlasse ich der Fantasie meiner Leser. >
Tief in Gedanken versunken fuhr Karl Jensen auf der nur lückenhaft von Eis und Schnee befreiten Landstraße nach Hause. Schmutzig braun türmte sich der Schnee an den Straßenkanten und verdeckte die Sicht auf die ganz in die weiße Pracht verhüllte Landschaft. Bislang war die Fahndung nach Regine Meierling ohne Ergebnis geblieben. Immer wieder versuchte er sich vorzustellen, wie die kleine zierliche Frau den schweren Revolver auf ihren Mann richtete und kaltblütig den Abzug betätigte. Zweifelnd schüttelte er den Kopf. Dazu kam die Ermordung Hermann Callsens. Wie in alles in der Welt sollte die so zerbrechlich wirkende Frau den alten Mann betäubt und dann den Bewusstlosen allein zu dem Tümpel geschafft haben?>
Keinen noch so schmalen Pfad fand ihr verzweifelt suchendes Auge, im Gegenteil, nur noch einzelne Binsenbüschel ragten aus dem dunklen Wasser. Erneut prasselte ein heftiger Hagelschauer auf sie hinab, wieder setzte sie zum Sprung an, um die nächste, trittfest scheinende kleine Insel aus hartem, trockenem Gras zu erreichen. Der Fuß setzte auf, und ein angstvoller Schrei ertönte, als das Grasbüschel unter ihrem Gewicht nachgab. Langsam aber unerbittlich versank sie in dem tückischen Moor.